Leserbrief: Der See in Dettelbach

Micha | 11.01.2013

Nach zwei Artikeln in der MainPost über den Baggersee in Dettelbach konnte ich nicht anders, als einen Leserbrief zu schreiben.

“In ein paar Artikeln der MainPost hat der Dettelbacher Stadtrat indirekt seine Sicht der Dinge in ziemlich aufgeregter Art und Weise darstellen dürfen und ein nicht näher beschriebener Arbeitskreis “Baggersee Dettelbach” besitzt bislang die Deutungshoheit über das Geschehen in dem er erklärt, was Gut und Böse ist.

Leider wird immer nur über die ‘Nackten’ gesprochen und nicht mit ihnen. Leider werden Tatsachen verdreht, leider werden alle, die dort textilfrei in der Sonne liegen, in einen Topf geschmissen sowie pauschal diffamiert. Und leider scheint durch das bisher Unwidersprochene ein befremdliches Weltbild durch, geprägt von Unnatürlichkeit, von Angst vor Nacktheit, scheinbar auch von Homophobie. Ich komme darauf zurück. Doch es gibt nicht nur eine Wahrheit, vielleicht darf hier eine andere Sicht der Dinge zu Wort kommen.

Ich radle seit dreißig Jahren nach Dettelbach an den See, seit zwanzig Jahren mit meiner Frau. Und warum? Es ist dort ein schönes und natürliches Fleckchen Erde wo man nicht der und die Einzige ist, die gerne einfach so nackt in der Sonne liegen. Über die Jahre kennt man sich, es sind in der Regel freundliche, nette Menschen, die keine Lust auf den üblichen Schwimmbadbetrieb haben, die auch keinen vom Stadtrat geregelten Baggersee brauchen. Die spontan, und sei es nur für ein Stündchen, Naherholung suchen, unabhängig von Öffnungszeiten und vorgefertigten Liegewiesen. Seit ich denken kann, ist unter den See’lern ein altes Ehepaar mit ihren Klappliegen, die immer erst wenn die Sonne untergeht ein nettes ‘bis morgen’ rufen. Und so gehören viele zum Inventar. All denen ist gemeinsam und ich schließe uns ein: Wir achten auf die Natur, wir belästigen niemanden, wir sind sorgsam, dass nicht das kleinste Stückchen Müll zurück bleibt, wir sind friedliebende Menschen die mit dem Motto ‘Leben und Leben lassen’ gut fahren können.
Das scheint der Stadtrat nicht zu können. Stolz werden da die Zahlen präsentiert, von wievielen Nackten die Personalien aufgenommen wurden. Nackte gehören nach Sodom nicht nach Dettelbach und bei vermeintlich schwulen Nackten hört jedwede Toleranz auf, das ist Gomorrha dazu. Da wird zuallererst nach der Polizei gerufen, ein Feldzug mit Ordnungs- und Bußgeld angezettelt und das Ganze flankiert durch unwahre Behauptungen, um diesen übertriebenen Wahnsinn vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Geht es nur mir so, dass ich nicht weiß ob ich darüber lachen oder aufheulen soll?
Es gäbe auch eine Alternative. Der große See wird unterteilt, ein Bereich ist reserviert für textilfreies Baden. Statt Schilder mit Verboten und Drohungen informieren neue Schilder, dass ab hier Nacktsein okay ist. Wer das nicht möchte bleibt einfach abseits. Eine Badeordnung legt keine Bußgelder fest sondern klärt auf, was erwünscht ist und was nicht. Dettelbach könnte ein Vorbild sein und die Möglichkeiten für sich nutzen, inklusive Alleinstellungsmerkmal. In dieser Art ließen sich unterschiedlichste Wünsche der Menschen unter einen Hut bringen und das Geschehen wirklich lenken. Man müsste nur ein wenig über seinen Tellerrand schauen und nicht immer gleich das Schlechteste unterstellen. Ich glaube zwar nicht wirklich daran, aber wenn die Möglichekit eines Dialoges besteht - gerne.
Wir haben über die Jahre am See schon viel gesehen, ein Kommen und Gehen - wie Wellen. Die Nervenden mit den Ghettoblastern, die Grillenden mit ihrem halben Hausstand, Polizei der man förmlich ansieht, wie widerwillig sie Unsinn durchsetzen muss. Eisverkäufer, die das große Geschäft witterten, Planierraupen die der Natur jetzt noch sichtbare Wunden zugefügt haben. Ja, auch Fremde, die irgendwas im Internet gelesen haben und sich einbilden, an diesem See wird die Welt neu erfunden. Nur haben all jene bemerkt, dass hier nur friedliche Leute Ihre Ruhe haben wollen und sind letztlich dauerhaft weg geblieben. Der jetzige Dettelbacher Stadtrat wird genauso vergehen und mit ihm eine gehörige Portion Ignoranz.

Allzeit sonniges Seewetter.”

– Michael Hofmann, Kitzingen

Update 13.08.2019

  • Scheinbar war ich nicht der einzige, der auf die Berichterstattung reagiert hat. Die MainPost hat heute einen Artikel mit Gegenmeinungen veröffentlicht. Die MainPost hat mich angeschrieben, dass mein Leserbrief zu lang sei, sie aber weiterhin interessiert an dem Thema sind. Sie haben den Text in Auszügen verwendet - na immerhin.
  • MainPost-Artikel, 13.08.2019: Dettelbacher Baggersee: “Nacktbader belästigen niemanden”